Zwangsstörungen
Zwänge stellen eine schwere psychische Problematik dar, bei der nicht selten Jahre vergehen, bis Betroffene professionelle Hilfe annehmen. Zwangserkrankungen beginnen oft im jungen Erwachsenenalter und kommen ggw. bei 3,8% der Bevölkerung (Jahresprävalenz) vor. Zwangsstörungen sind die sogenannte heimliche Krankheit.
Die Symptome bestehen in einem inneren Drang, bestimmte Dinge ausführen oder denken zu müssen. Bei Zwangshandlungen können dies Wasch- oder Kontrollzwänge sein oder Zwänge, bestimmte (Ordnungs-)Rituale in bestimmter Folge oder Häufigkeit durchzuführen. Bei Zwangsgedanken finden sich meist bedrohliche Vorstellungen, z. Bsp. davon, kontaminiert zu werden (durch Keime auf Gegenständen), was nachfolgend wiederum (bei 75% der Betroffenen) zu entsprechenden Zwangshandlungen (Türklinken putzen) führt. Zwangsgedanken können aber auch Vorstellungen aggressiven Inhalts sein oder aber ein ritualisiertes Gedankenkreisen, das vermeintlich Schlimmes verhindern soll. In jedem Falle ist Betroffenen bewusst, dass sich ihre Zwänge zwar innerlich unwiderstehlich aufdrängen, im Grunde aber recht verzerrt und „irrsinnig“ sind. Dies unterscheidet Zwänge von Wahnvorstellungen, bei denen keine innere kritische Distanz zum Symptom besteht. Hoher Leidensdruck entsteht dann, wenn das alltägliche Leben derartig beeinträchtigt ist, dass durch die Ausführung der Zwänge permanenter Zeitmangel herrscht und berufliche wie private Pflichten nicht mehr erfüllt werden können. Auch das zwanghafte Sammeln (und das „sich nicht trennen können“) von Gegenständen bis hin zum Messie-Syndrom kann als eine Unterform von Zwangserkrankungen verstanden werden.
Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Zwangserkrankungen spielen unangenehme Gefühle, wie Ängste, Ärger und Wut, Schuld und Scham eine wesentliche Rolle. Zwänge dienen dazu, bestimmte Gefühle/Affekte zu neutralisieren. Das jeweils unangenehme Gefühl sowie die innere Unruhe und Anspannung nehmen also durch das Ausführen der jeweiligen Zwänge ab. Weiter gefasst gehen wir nach aktuellem Kenntnisstand auch bei Zwangsstörungen von einem multifaktoriellen Entstehungsmodell aus; es greifen genetische Faktoren, neurobiologische Besonderheiten (hier im serotonergen System), auslösende Stressoren und Persönlichkeitsmerkmale (lerntheoretisch oder psychodynamisch zu verstehende) ineinander.
In der Therapie von Zwangserkrankungen haben neben den hierfür zugelassenen und wirksamen Antidepressiva v.a. verhaltenstherapeutische Interventionen entscheidende Bedeutung. Das wesentliche und unverzichtbare Therapieelement besteht in der Reizkonfrontation und Reaktionsverhinderung. Es geht hierbei darum, sich den unangenehmen Gefühlen, der inneren Unruhe und Anspannung sowie den katastrophisierenden Vorstellungen zu stellen und diese auszuhalten, ohne sie in gewohnter Weise durch Zwänge zu neutralisieren. Nur so kann die konkrete Erfahrung gemacht werden, dass unangenehme Gefühle und Affekte (z.B. Ängste und innere Unruhe) wieder abklingen, auch wenn auf das gewohnte Vermeidungsverhalten (hier Zwänge) verzichtet wird. Dadurch nehmen die Selbstwirksamkeitserwartung, das
Selbstwertgefühl zu und die Ohnmacht, Opfer der eigenen Zwänge zu sein, ab.
In der psychodynamischen Therapie fokussieren wir die Arbeit an einem Verständnis der Zwänge im Kontext vorhandener Beziehungs- und Verhaltensmuster (z.B.: Aggressionshemmung, Konfliktvermeidung, mangelnde Abgrenzungsfähigkeit u.a.), innerer Konflikte und deren biografischer Bezüge (frühe existenzielle Unsicherheiten, kontrollierende oder ängstlich-überprotektive Beziehungserfahrungen, erlebte Streitkultur in der Herkunftsfamilie, Kontrollverlusterlebnisse u.v.m.). Ziel ist es, innere mit der Symptomatik in Zusammenhang stehende Muster zu entschärfen und letztlich in der therapeutischen Beziehung, in der Patientengemeinschaft und später im Alltagsleben korrigierende Beziehungserfahrungen zu machen.
In der Sanima Klinik verfolgen wir einen zweigleisigen, wie oben skizzierten verhaltenstherapeutischen und tiefenpsychologischen Therapieansatz.