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Essstörungen

Unter diesem Oberbegriff beschreiben die ggw. Klassifikationssysteme folgende Erkrankungen: die Anorexie (Prävalenz 0,5-1% in der Risikogruppe 15-25-jähriger Mädchen und Frauen, Männer 1:20x seltener), die Bulimie (Prävalenz 3-4% der weiblichen Bevölkerung zwischen 15 und 35J., Männer 1:10x seltener, 20-30% komorbide Persönlichkeitsstörung) und die Binge-Eating-Störung (Prävalenz 1-3% der Bevölkerung, Gleichverteilung zwischen den Geschlechtern).

Als weitere mögliche Essstörung (mit gewisser Nähe zu den Zwangsstörungen) müssen wir inzwischen auch die Orthorexie (Prävalenzangaben noch sehr vage, vermutlich auch 1-3% der Gesamtbevölkerung) benennen.

Die Anorexie ist gekennzeichnet durch einen absichtlich herbeigeführten Gewichtsverlust (durch Vermeiden hochkalorischer Nahrung, durch übertriebene körperliche Aktivität oder  andere Maßnahmen, wie selbstinduziertes Erbrechen, Einnahme von Abführmitteln, Appetitzüglern oder wasseraustreibenden Mitteln), ein anhaltend zu niedriges Körpergewicht (mind. 15% unter dem zu erwartenden bzw. BMI unter 17,5), das Vorhandensein einer Körperschemastörung, die permanente Angst und zugleich starre Überzeugung, zu dick zu sein und letztlich  hormonelle Folgeerscheinungen; eine Amenorrhoe bei Frauen und ein Potenzverlust bei Männern. Die Anorexie geht mit einem hohen Grad an Verleugnung einher. Im klinischen Alltag sehen wir neben der restriktiven, „asketischen“ Anorexie auch bulimische Formen mit phasenweisen Ess-Brech-Anfällen. Häufige somatische Folgen sind neben dem oft zunehmend bedrohlichen Untergewicht sowie den genannten hormonellen Störungen (durch Östrogenmangel, Kortisolanstieg), Schilddrüsenfunktionsstörungen, die Entstehung einer Osteoporose, die Entwicklung einer Niereninsuffizienz, Elektrolytentgleisungen und Herzrhythmusstörungen. Die Mortalität an den direkten Folgen der Anorexie liegt bei 15%.

Kennzeichnend für die Bulimie sind ebenfalls eine andauernde Beschäftigung mit Essen, allerdings hier mit einer unwiderstehlichen Gier nach Nahrungsmitteln und nachfolgenden Essattacken mit Kontrollverlusterleben und einer Aufnahme großer Mengen hochkalorischer Lebensmittel. Deren „dickmachendem“ Effekt wiederum wird durch Maßnahmen, wie selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, Appetitzüglern und Hungerphasen gegengesteuert. Ebenfalls besteht bei der Bulimie eine krankhafte Furcht davor, dick zu werden. Häufig geht einer Bulimie auch eine Anorexie voraus. Typische somatische Folgen der Bulimie sind Zahnschmelzschäden, Speiseröhren – und Magenschleimhautentzündungen, Schwellungen der Ohrspeicheldrüsen, Elektrolytentgleisungen, Herzrhythmusstörungen und eine Niereninsuffizienz.

Die Binge-Eating-Störung ist definiert als Essstörung, bei der sich Essattacken als mögliche Reaktion auf psychische Belastungen finden, was letztlich zu einer Adipositas führt. Es geht also auch um „Fressanfälle“ zur Emotionsregulation, dabei erlebten Kontrollverlust, gefolgt von Ekel – und Schamgefühlen, jedoch ohne gegenregulierende Maßnahmen.

Als Orthorexie bezeichnen wir ein Syndrom, das charakterisiert ist als eine zwanghafte Fokussierung auf gesundes Essen und eine übertriebene Sorge darüber, welche Lebensmittel ungesund sein können und gemieden werden müssen, gefolgt von einem restriktiven  Essverhalten und vermeidenden Essensregeln, sodass es schließlich zu einer Fehl – und/oder  Mangelernährung kommt.

Zur Entstehung von Essstörungen gibt es psychodynamische objekttheoretische (u.a. Selbstwert, Autonomie), psychodynamisch triebtheoretische (Triumph der Askese, Triebkontrolle vs. Triebdurchbruch), verhaltenstherapeutische (Verselbständigung von Essgewohnheiten, Modelllernen z.B. an Diäten), familiensystemische (Bindungs- und Beziehungskonstellationen intrafamiliär, Leugnung des Problems und Diagnoseverschleppung), soziokulturelle (gesellschaftlich geprägte Ideale, Einfluss der Peer-Group) und biologische (genetische Faktoren) Erklärungsmodelle.

Therapeutisch verfolgen wir in unserer Klinik einen methodenübergreifenden Ansatz; unter Berücksichtigung des individuellen Stabilisierungsbedarfs (Ausgangsgewicht) und möglicherweise vorhandenen komorbiden Störungsbildern (Persönlichkeitsstörung, Suchterkrankung, Depression) erarbeiten wir einen individuellen Therapievertrag, welcher u.a. die Therapiedauer (mind. 12 Wochen), die Ziele der Behandlung (Normalisierung des Essverhaltens, Zielgewicht v.a. bei Anorexie), die hierzu festgelegten Mahlzeiten, die notwendigen Therapien (einschl. Körpertherapie im Einzelsetting), den Verzicht auf gegenregulatorische Maßnahmen, die hierfür notwendige Begleitung (u.a. Gewichtskontrollen) durch das therapeutische Team, das Führen eines Esstagebuchs, die Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung des Vertrages beinhaltet. Einzel – und gruppentherapeutische Therapieelemente (z.B. Emotionsregulation; Skills-Training), die psychodynamische Arbeit (an inneren Themen, eigenen Beziehungsmustern, der Selbstwahrnehmung, dem Selbstwert usw..), systemische Angebote (Kommunikationsstil und Familiengespräche), die Körpertherapie (Arbeit am gestörten Körper-Schema), die Achtsamkeitstherapie sowie Kunst – und Musiktherapie (s. Behandlungskonzept)  und Entspannungsverfahren ergänzen sich in einem intensiven und beziehungsdichten Setting und ermöglichen neben einer Symptomentlastung (Entschärfung gestörter Muster) und ersten psychophysischen Stabilisierung auch teifergreifende Persönlichkeitsentwicklungen. Eine reduziert stationäre Ausleitung der Behandlung  beinhaltet dann, das in der Klinik Erlernte in häuslicher Umgebung zu erproben und zu festigen. In Abhängigkeit vom individuellen Hilfsbedarf erfolgt eine  enge Vernetzung mit ambulanten Behandlern und sozialen Diensten.